Die Schultheiser Mühle

(Liebe Literaten: Es heißt seit 250 Jahren "Schultheiser Mühle" mit einfachen "s", nicht mir "ß" -- das kartographische Amt irrt seit  Erstellung der "modernen" Wanderkarten um 1960) 

Update Ostern 2016: Wir gelangen in den Besitz einer Urkunde, die unser Haus, unseren Standort erstmal 1443 schriftlich erwähnt. -- > Überarbeitung der Historie des Baybachtales infolge.


Im Tal der Schultheiser Mühle trafen sich die Wege aus Thörlingen, Bickenbach, Emmelshausen und Gondershausen.

Es ist möglich, das dieser Standort, an dem sich das Tal sehr weit öffnet, schon seit Urzeiten bewohnt war. 

 

Wir gehen davon aus, das der kleine Stall gegenüber der Mühle seit ca.1730 existiert. Das hintere obere "Ställchen" ist  neu gebaut. Es bietet Platz für eine Kammer über den damaligen Ochsenstall. In der Ecke neben dem Ställchen und dem Felsvorsprung haben wir bei den Bauarbeiten der Terasse in den 50er wie auch Mitte der 70er Jahre Reste einer alten Feuerstelle gefunden.

 

Die Mühle sah nicht immer so aus, wie heute.

Ursprünglich war es eine Holz/Stein/Fachwerkkonstruktion aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts, die in dem frühen 19 Jahrhundert immer wieder verändert wurde.

Der ursprüngliche Bau war ein eingeschossiges Steinviereck, welches an den Felsvorsprung im Kellerniveau gebaut wurde. Diesem Viereck gegenüber lag der heute überbaute Gewölbekeller.

 

Dieser war damals der "Eiskeller", hier lagerten die verderblichen Lebensmittel, Butter usw. Heute ist das Klima dort hervorragend, um Wein zu lagern.

Bemerkenswert ist, das in diesem Gewölbekeller ein Sandtrog steht, in dem die gesalzenen Fleischstücke konserviert wurden. Dieser ist der von seiner Machart aus dem Alzeyer / Mainzer Sandbecken und aus  Sandgestein hergestellt worden. Wir datieren diesen Trog ca. auf 1690.

 

Er passt von seinem Maßen nicht durch die Türöffnung, die mit dem Sturz von 1805 datiert ist.

 

Das Mühlrad stand damals frei, der Mühlgraben durchzog das gesamte Tal aufwärts bis zur Peters'chen Mühle  und mündete dort, wo die heutige Terrasse ist, in einem kleinem Mühlteich mit Kaskade.

Die Kaskade war der "Regenüberlauf" -- er entwässerte durch den heutigen Nutzgarten direkt in den Bach. Von dem Mühlteich ging ein mit Stahlblech ausgekleideter Kanal auf das sog. oberschlächtige Wasserrad.

 

Dieses Wasserrad wurde  von dem Essener Landmesser am 23.Mai 1921 neu vermessen. Es hatte einen Durchmesser von 5,10 Metern.

 

Dazu gehörte auch der gesamte Wasserzulauf mit den einzelnen Wehren.

Auf diesen amtlichen Karten kann man erkennen, das das Wohnhaus noch nicht zu dem Mühlengebäude gehörte. 

Dieses  trieb ein damals zunächst freiligendes, später mit Holzverkleidung überdachtes, Mahlwerk an.

 

Später wurde, um das grosse Mühlwerk unterzubringen, darauf mit einer Holzkonstruktion aufgebaut, die jedoch 1908 durch einen großen Brand zerstört wurde.

 

Die Schultheiser Mühle war die Mühle des Schultheis -- hier wurde nicht nur das Korn der umliegenden Felder gemahlen, hier wurde auch "der Zehnte" einbehalten und gelagert.  

Zu diesem Zwecke wurde 1884 die Scheune erbaut. Aus Baumaterialien, die beim Scheunenbau übrig waren, baute man kurz darauf das Bienenhaus.

 

Im übrigen bitte ich zu beachten, das die richtige Bezeichnung der Mühle "Schultheiser" nur mit einem "s" und nicht etwa "Schultheißer" Mühle mit "ß" ist. Das kartographische Landesamt begeht  diesen Fehler seit 1962 in allen Karten -- verschiedene Briefe meines Großvaters ließ es unbeantwortet ...

 

 

Den Bau der Kapelle datieren wir auf ca. 1650

Vor der Kapelle steht noch immer das Kreuz, welches sich die alten Müller als kirchlichen Sammelpunkt 1774 schnitzten und aufstellten.

 

1912 wurde das große Haupthaus (als Viereck) nach dem Brand  fertiggestellt.

 

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Die Schultheiser Mühle Mitte 1950/1955 

 

Das Mahlwerk wurde vergrößert und in ein vierstufiges Mahlwerk ausgebaut und in den ersten zwei Stockwerken des Hohen Teil des "L"'s untergebracht. Wurde nicht gemahlen, so trieb das Mühlrad einen Rübenschnitzler an, der Rüben und Kartoffeln für die Schweinmast schnetzelte.

 

Das Gesinde schlief im Ställchen gegenüber, über dem Ochsenstall. Die Kammer im Obergeschoss des Stalles, muss irgendwann einmal neugebaut worden  die Steine passen nicht gut zusammen. Über dem Mahlwerk befand sich im hinteren Teil des Hauses (Bachseite) die große Schütte, in die das Korn zum Mahlen geschüttet wurde. Das Korn wurde vom oberen Hof über eine Umlenkrolle (hängt noch immer am Giebel) über die Türe im ersten Stock herauf gehoben und dann entweder sofort in die Mühle gefördert oder auf dem Dachboden gelagert.

 

Irgendwann zwischen 1912 und 1929 wurde der Anbau (der flache Teil des Ls) über den Gewölbekeller gebaut. Dieser beinhaltete den Backes, der damit aus dem Haupthaus ausgegliedert wurde.

Der Anbau diente zu diesem Zeitpunkt mit dem  oberen Stockwerk als warme Schlafstube für die Müllerfamilie.

Der Backes hatte sogar einen eigenen Zugang, welcher der einfachen Anlieferung von Holz diente.

 

Die Mühle hatte ihre Hochzeit in den 1850er bis 1940er Jahren.

Durch den starken Betrieb der Backstube wurden stellenweise alle Hänge des Tales abgeholzt. Der Stockschlag wurde immer wieder zum Feuern von Backes und der Kochstelle benutzt -- der heutige Baumbestand ist ca 80-130 Jahre alt.

 

Dies führte ebenfalls zu einer Veränderung der Vegetation: War es früher sehr trocken und sonnenreich und flesig , "Wuchert" /dringt heute der Wald immer weiter vor: Feuchtes Waldklima mit viel Schatten produziert verwilderte romantische  Brennessel-wiesen ... ein Quell steter Arbeit ...

 

Es herrschte ein reges Treiben in dem Tal -- die Mühle wurde aus den umliegenden Feldern durch starke Ochsengespanne mit Korn beliefert -- die Müller verdienten gutes Geld. Die Schultheiser Mühle (1730), ist ebenso wie die Schmausemühle (1630)und die Strieders-Mühle (1730) eine der die ältesten,  noch erhaltenen Mühlen im Baybachtal. Diese Mühlen sind alle Getreidemühlen.

 

(Man möge mir diese "platte" Verallgemeinerung verzeihen -- gemeint ist damit : Es wurde gemahlen und nicht, wie etwa in der Wollmühle, gewoben) 

 

Februar 2003:

Nachdem wir ein wenig in der lokalen Chronik gestöbert, mit Pfarrer Strickstrock das Kreuz an der Kapelle betrachtet, einen sehr alten Baum gefällt haben,  und ein wenig über das Haus nachgedacht haben, kommen wir aber zu einem ganz anderen Schluss:

 

Das Gebäude als Gebäude war sehr "reich": Alle Holzarbeiten waren aus Eichenholz gemacht, die Türstürze im Gewölbekeller sind aus einem besonderen Blaubasalt. Der Müller, der 1912 das Haus nach dem Brand wieder aufbaute, musste sehr vermögend gewesen sein, denn die Bauweise des Haupthauses ist von bester Qualität.

 

Das Kreuz an der Kapelle  erzählt uns über die Symbolik, das es hier einen Darrboden gegeben haben muss. Der stand an der Stelle der heutigen Scheune. Darrboden benötigt man, um Malz zu trocknen. Der alte Baum auf der Wiese, welchen wir leider fällen mussen,  erzählte in seinen Ringen, das um 1770-1780 "schlechte", trockene Jahre waren. Das passt zu dem Symbol des "roten Hahns"  auf dem Kreuz der Kapelle, traditionell in der kirchlichen Symbolik ein Hungersymbol. Auf dem Kreuz ist ebenfalls ein Bierkrug abgebildet und ein Fisch, das Klima im Tal eignet sich bestens, um Malz anzubauen ....

 

... Nehmen wir alles zusammen, kommen wir zu dem Schluss, das hier Malz gemahlen wurde , und / oder Bier gebraut wurde, vielleicht ein Ausschank ?? -- wir wissen es nicht. 

 

1884 muss es eine "Umorientierung" in der Bewirtschaftung gegeben haben: Man stelle sich die damalige Zeit vor : Wir lebten in der Industrialisierung -- viele traditionelle Prozesse, auch das Bierbrauen, wurden maschinentechnisch verbessert. 

Es kann sein, das der Bierbetrieb an der Mühle eingestellt wurde und durch den "normalen" Betrieb umfunktioniert wurde: Mahlen, Kornmahlen. Daher wurde die Scheune mit den Viehställen (ebenfalls beste Bauqualität: solide Grundmauern mit einer Stahlblech-Konstruktion, welche heute einer modernern Alluminiumhalle entspricht), gebaut.

Nun die Vergangenheit hier ist dunkel -- nirgendwo ist etwas aufgeschrieben -- und es ist schwierig, an die "alten Köpfe" heran zu kommen --- vielleicht erzählt mir irgendwann jemand eine andere Geschichte ??


Juni 2014

Da ich Bauingenieur bin ... lies mich die Gebäudesruktur nicht in Ruhe.

Ich habe, als ich die Scheune "durchräumte" interessante Erkenntnisse gefunden:

Es gab drei Gebäude an der Stelle der heutigen Scheune.

Teil eins ist der älteste Teil und muss von seiner Bauweise um ca 1730 gebaut worden sein. Das ist der (rechte)  Gebäudeteil, der sich an den Weg  an den Hang schmiegt. Es ab ein einfaches Balkendach bzw ein Holzfachwerk, aus welchem eine kleine Scheune darüber gebaut wurde.


Scheunenerweiterung 1 (=Scheune 2)  war der Bau einer zweiten Wand und den Neuebau einer größeren, ausgedehnteren Scheune. Warum benötigt eine Mühle, deren Aufgabe sein soll, Korn zu mahlen, eine Scheune -- ? Genau. als Darrboden. Je mehr Bier getrunken wurde, umso mehr Scheunenkapazität benötigte man. 


Scheune 3 wurde 1884 gebaut. Und zwar wurde wieder eine Erweiterung gebaut so dicht wie möglich an den Bach, lediglich ein Fahrweg für ein Ochsengespann blieb frei.



Die Buche an der Kapelle wurde übrigens gepflanzt beim Bau des Bienenhauses, um dem Bienenhaus Schatten zu spenden.




Juni 2014:

Ach, und noch eine Gesichte erreichte uns :

Die heutige Peterschens Mühle, damals "die Link(e) Mühle", beide Mühlen waren wohl enger miteinander verwoben. als gedacht.  Denn  .... zwei Dinger / Umstände: Die Bewohner der Linke Mühle halfen sehr häufig bei   Arbeiten in der Schultheiser Mühle. Und ... zu  Zeiten der Familie Voigt fand jemand Interesse an einer der Töchter der Familie Link .... und "brannte durch".


Und dann : wieder einmal der Liebe zum Opfer fiel der Familienbesitz: Eine der vier Töchter von Wilhelm Voigt (daher das  "W-V" in der Scheune) verliebte sich in den Bauern Schmidt aus Gondersch .... und als Mitgift / Erbe gabs die Mühle. Somit ging die Mühle zwar innerhalb der Familie weiter, jedoch der Familienname wechselte sich.


Im Krieg1939 bis 1945 ... hier nur kurz : Hier wurden Menschen versteckt..

Vor dem Zugriff der SS. Hier wurden Lebensmittel versteckt. 

Das waren wirklich düstere Zeiten- auch hier.


Es verwundert nicht, das der damalige Besitzer sich von der Mühle trennen konnte.




Der Mahlbetrieb der Mühle dauerte noch bis in die zweite Hälfte der 50er Jahre an  wurde aber alsbald unrentabel, da im Zuge der Industrialisierung nach dem zweiten Weltkriege industrielle Getreidemühlen anderes Mehl gemahlen haben.

Mein Grossvater Wilhelm Bunten war Mitglied im Nerother Wandervogel. Auf einer seiner Wanderungen kam er auch an dieser Mühle vorbei -- und verliebte sich in genau dieses Tal. 

 

Langer Rede kurzer Sinn: Die Mühle wechselte die Familie, nachdem sie durch Vererbungen immer in einer Familie geblieben war.  

Die Renovierung meiner Großeltern nach dem Kauf in den 60er Jahren brachte für das Haus eine ganze Reihe von Veränderungen mit sich:

 

Die Schultheiser Mühle nach Besitzerwechsel an Familie Bunten

 

 

Nach und Nach wurde das Mühlwerk ausgebaut und wich einer (damals) modernen Zentralheizung, Strom und Wasser wurde im Haus verlegt, und vieles mehr.

Die Mühlsteine bilden übrigens die Treppe vom oberen Hof zur Terrasse nach oben.

Das Mühlrad wurde 1974 im unteren Teil in der zweiten Renovierungsphase eingegraben, schaut heute noch zur Hälfte aus dem Boden  und erinnert noch heute an die Wassermühle.

Der alte Weg nach Gondershausen ist noch heute hinter der Kapelle zu sehen. Er führt (fast geradlinig) auf die Kirche in Gondershausen zu.

 

Auf der anderen Seite ist er die Verbindung nach Bickenbach, hier gingen die Kinder der Müller immer zur Schule.  

 

Die Schultheiser Mühle im Winter 2001/2002 

In den 70 und 80er Jahren war die Mühle das Zuhause meiner Grosseltern Wilhelm & Helene Bunten. Sie verbrachten hier einen ruhigen Lebensabend nach einem bewegtem Leben, gezeichnet von zwei Kriegen, Wirtschaftlichen Auf und Ab. Beide waren im Schauspieler- Gewerbe, eng verknüpft mit Musik und Gastpiel: Sie mit Otto Hoffner aus Köln, er mit ARIOLA Eurodisk, später EMI.  

 

Aber das ist eine andere Geschichte..... 

 

Meine Mutter (Johanna Bunten) heiratete 1968 Michael Dellschau -- 1976 kaufte meine Mutter das Anwesen meinen Grosseltern ab. Für uns wurde die Mühle Familiensitz. Ich erinnere mich an Heumachen, Wiesenmähen, Schaafe, Gänse, Kannickel, Baybach und Böötchen spielen, riesige Feste, Spanferkel grillen, Goldene Hochzeit der Grosseltern (mit Chor der freiwilligen Feuerwehr Gondershausen !!), Nerother  mit Klampfen Spiel auf dem Weg zur Burg Waldeck ... ... kurz -- es würde Bücher füllen. 

 

Meine Großmutter Helene Bunten starb an den Folgen von Morbus Parkinson im Juli 1997.

Wilhelm Bunten, als letzter der alten Bunten's, verstarb im Februar 2002. 

 

Meine Eltern führen die Traditionen, die sich bei meinen Grosseltern eingestellt haben fort:

Der Nutzgarten versorgt uns weiterhin mit Erdbeeren, Kartoffeln, Bohnen und Radiesschen, Johannisbeermarmelade oder Waldbrombeermarmelade kommt aus dem eigenen Garten, die Bienen schenken uns einen wundervollen Honig.